Wozu braucht man Flugsteuerungen?
Jeder Multikopter hat eine Flugsteuerung. Es gibt im Gegensatz zu Helikoptern oder Flächenfliegern keine Modelle, die ohne eine Flugsteuerung auskommen. Das liegt an den physikalischen Eigenschaften.
Eigenstabilität VS. Chaos
Flugmodelle, die an die Geräte angelehnt sind, die wir aus dem „echten“ Luftverkehr kennen, haben grundsätzlich mechanische Eigenstabilität. Flugzeuge kommen nicht auf die Idee, spontan eine Kurve zu fliegen, wenn man nicht lenkt. Die aerodynamische Form sorgt dafür, dass die Luftströmung den Flieger auf seiner Bahn hält. Ebenso wirkt die Drehimpulserhaltung des vergleichsweise gigantischen Hauptrotors eines Helikopters dagegen, dass sich die Fluglage spontan ändert. Grundsätzlich haben diese Fluggeräte also eine gewisse Ruhe und kommen im Normalfall nicht auf die Idee, spontan zu einer Seite wegzukippen, sodass der Pilot permanent korrigieren muss. Natürlich ist ein kleines Sportflugzeug im Vergleich zu einem Jumbojet etwas zappelig, aber insgesamt teilen sie sich diese Eigenschaft.
RC-Modelle sind entsprechend ihrer geringeren Größe nervöser. Insbesondere bei Helis fällt die geringere Schwungmasse ins Gewicht. Deswegen hilft man insbesondere bei kleinen Modellen gerne mit einer simplen Gyro-Korrektur oder Flybars nach, um gutmütiges Flugverhalten zu erreichen. Prinzipiell ginge es aber auch ohne. Dann fliegt es eben nervös, aber es fliegt (solange der Pilot damit zurechtkommt). Flächenflieger trifft es nicht ganz so hart. Unter ambitionierten Piloten ist es sogar verpöhnt, ein elektronisches Helferlein zu verwenden. Ordentlich getrimmte Modelle können auch bei kleinem Scale sehr stabil fliegen.
Bei Multikoptern funktioniert das nicht. Abgesehen von exotischen VTOL-Konstruktionen gibt es keine Tragflächen, die zumindest ab einer gewissen Geschwindigkeit stablisieren könnten. Und nennenswerten Drehimpuls liefern die kleinen Propeller auch nicht. Ein Multikopter hat von sich aus keinerlei Bestreben, die Ausrichtung im Raum beizubehalten. Da aber jederzeit Kräfte auftreten können, die den Flieger in Rotation versetzen wollen, neigt er schnell dazu, diesen auch zu folgen. Ursachen wie Vibrationen, Wind oder diversen Strömungseffekten wird effektiv keine Gegenkraft geboten.
Korrekturen sind nicht trivial
Wenn ein Flugzeug um 5° nach rechts rollen soll, dann stellt man die Klappen kurz so, dass es nach rechts rollt und wenn die 5° erreicht sind, stellt man sie wieder gerade. Je nach Modell wird die Fluglage dann mehr oder weniger präzise so beibehalten. Auch das ist bei Multikoptern nicht der Fall. Wenn mein X-Quadrokopter um 5° nach rechts rollen soll, gebe ich zunächst bei den beiden linken Motoren kurz mehr Schub als bei den rechten. Er fängt dann an zu rotieren und hört damit erst wieder auf, wenn ich umgekehrt, also auf der rechten Seite, stärker Schub gebe. Allerdings könnte es auch sein, dass dabei Umwelteinflüsse zwischenzeitlich Einfluss auf diese Drehung genommen haben und ich letztlich in einer völlig anderen Position lande, als ursprünglich geplant.
Manuelles Fliegen ist nicht möglich
Aus diesem Problem, dass es weder Eigenstabilität, noch grundsätzlich vorausberechenbares Flugverhalten gibt, folgt, dass manuelles Fliegen ohne Sensorunterstützung extrem schwierig oder sogar völlig unmöglich ist. Simple Konstruktionen, die Winkelfehler mithilfe eines Gyroskops messen und dann einfach diese Abweichung korrigieren, führen eventuell zu einem Fluggerät, dass sich mit fleißigen Fingern an der Funke halbwegs in der Luft halten lässt. Erst mit einer ausgefeilten Flugsteuerung, die die Werte des Gyros sinnvoll verrechnet und eventuell noch weitere Sensoren miteinbezieht, erreichen wir das Flugverhalten, das wir mittlerweile von Multikoptern gewohnt sind und nicht mehr missen wollen.
„Aber ich fliege doch dauernd im manuellen Modus?“
Ein typisches Missverständnis ist durch den Begriff des „manuellen“ Modus entstanden. Das gipfelt darin, dass ich einer Forendiskussion lesen durfte, dass der Rate-Modus mit dem Abschalten jeglicher Sensoren gleichgesetzt wurde. Das was manche Hersteller (unter anderem auch Walkera) als „Manual Mode“ bezeichnen, ist in einem eigenen Kontext zu sehen. Die anderen Flugmodi (also die, die nicht „manual“ heißen), die vor allem Kamerakopter haben, sind oftmals wie ein Autopilot (z.B. Return-to-Home) oder haben besonders starke Unterstützung (z.B. Positionskorrektur durch GPS und Bildverarbeitung im Modus „Loiter“), sodass ich sie ebenfalls als eine Art Autopilot sehe. Der Pilot gibt hier ja nur Richtung und Geschwindigkeit vor und die Flugsteuerung sorgt für die passende Fluglage
Wenn man diese Autopiloten abschaltet, fliegt man eben von Hand, also manuell. Es greifen dann zwar weniger Sensoren in das Flugverhalten ein als bei den Filmkoptermodi, aber Gyroskop, PID-Controller und meist auch Accelerometer sind weiterhin für die Ansteuerung der Motoren zuständig. Demzufolge ist auch der „Manual Mode“ zwar mit mehr Handarbeit verbunden als Loiter, aber noch weit davon entfernt, dass man die Motoren direkt reguliert.
Da Race-Kopter grundsätzlich eher für Piloten konzipiert sind, die sich tendenziell mehr mit dem Thema beschäftigen, sind die Begriffe hier in meinen Augen sachlich sinnvoller gewählt. „Rate“, „Horizon“ und „Angle“ beschreiben, wie die Stickeingaben des Piloten interpretiert werden.